Jørgen K.
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Himmelsbeobachtung.net
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Verweise:
Seltene atmosphärische Konstellation:
Die Beobachtung von NLCs mit Polarlicht in der Nacht 02.06./03.06.2025
In der Nacht vom 2. auf den 3. Juni 2025 konnte ich erstmals das gleichzeitige Auftreten zweier bestimmter atmosphärischer Phänomene beobachten: Leuchtende Nachtwolken mit Polarlicht. Im Rahmen meiner Beobachtungen im Bereich von ca. 52,3°N bis 52,6°N (auf etwa 8.7°O) kam es zu mehreren Polarlicht-Substürmen, die zeitgleich mit Leuchtenden Nachtwolken nachweisbar waren.
Dieses gleichzeitige Auftreten gilt in Mitteleuropa als eher selten – insbesondere während der sogenannten Weißen Nächte, in denen die Sonne hier nie weit unter dem Horizont steht und die Dämmerung über die gesamte Nacht hinweg anhält. In dieser Zeit treten NLCs typischerweise auf, wohingegen Polarlichter aufgrund des erhöhten Helligkeitsniveaus der Dämmerung theoretisch schlecht nachweisbar sind. Zudem erreicht die geomagnetische Aktivität in den Sommermonaten in der Regel ein saisonales Minimum, was Polarlichterscheinungen zu einem grundsätzlich seltenen Beobachtungsgegenstand macht.

Die aktiven Sonnenoberfläche am Vormittag des 31. Mai 2025, nach einem langanhaltenden M8-Flare aus der auffälligen Gruppe rund um Sonnenfleck 4100: Zwar erreichten die stärksten Phasen des folgenden G4-Sturms vom 1. Juni Mitteleuropa größtenteils zu Tagzeiten und blieben somit unbeobachtet, doch in der Nacht vom 2. auf den 3. Juni war noch eine abklingende Polarlichtaktivität sichtbar – in seltener atmosphärischer Konstellation mit Leuchtenden Nachtwolken.
Bevor ich zum Bericht des Beobachtungsverlaufs komme, folgen hier die Daten zu jener NLC-Nacht:
Beobachtung im Abendsektor
Standort: bei Varrel, ca. 52.6°N (Niedersachsen)
Beobachtungszeitraum der NLCs: ca. 23:25 – 00:31 MESZ
Max. Helligkeit: 2
Max. erfassbare Höhe: 12°
Max. erfassbarer Azimut: 312°-005°
Hinweis: Abends deutliche Helligkeit 2, Beobachtung mit fotografischem Polarlicht; Die NLCs waren sehr wahrscheinlich die gesamte Nacht über nachweisbar.
Beobachtung im Morgensektor
Standort: bei Lübbecke, ca. 52.3°N (Nordrhein-Westfalen)
Beobachtungszeitraum der NLCs: ca. 01:23 – 03:39 MESZ
Max. Helligkeit: 3
Max. erfassbare Höhe: 11°
Max. erfassbarer Azimut: 341°-038°
Hinweis: Morgens deutliche Helligkeit 3, roter Saum am NLC-Feld, Beobachtung mit schwach visuellem Polarlicht.
Ein Beobachtungsstart ohne vielversprechende Anzeichen
Schon um 21:30 Uhr (MESZ) zog es mich an diesem Dienstag-Abend aus dem Haus: Entgegen dem Vorabend mit trüber astmosphärischer Durchsicht (Waldbrandaerosole aus Kanada), brannte die Sonne noch am tiefen Horizont, was Lust auf eine Beobachtung horizontnaher Himmelserscheinungen machte: Leuchtende Nachtwolken, gar mit Polarlicht? Nein, daran vermochte ich nicht zu denken. Zumal die zurückliegende Tage geprägt waren, von einer vorhandene Polarlichtaktivität nach CME-Impact, die zur Nachtzeit gering und zur Tagzeit stark ausgeprägt war. Maximal ungünstig.
Mit der untergehenden Sonne erreichte ich meinen Beobachtungspunkt, an dem ich letztes Jahr bereits die legendären Polarlicht-Perseiden beobachten konnte. Ich ließ mich zuerst einmal treiben, in völliger Ruhe und in Anbetracht der vor mir liegenden Natur zur bürgerlichen Dämmerung. Schließlich legte ich mich ins vor wenigen Wochen gezimmerte Bett meines Campers und verfolgte den Himmel und die Natur durch die seitliche Schiebetür. So langsam klarte es auch in Gänze auf und in der Ferne bildete sich bereits erster Bodennebel. Dämmerungaktives Wild sorgte derweil für stimmungsvolle Momente.
Derweil: Noch keine NLCs, aber es war auch noch früh. Wir hatten es gerade mal 22:30 Uhr (Ortszeit). Die Winde am MF-Radar (südgerichtet) hatten jedoch zu Beginn Nacht für optimistische Beobachterstimmung gesorgt, während die Polarlichtwerte weiter überhaupt keinen Anlass zur Freude boten. “Mach endlich einen Haken dran”, dachte ich mir. 🙂
Zeit zum Umdenken: Markante Schauerzelle aus Südwest!
Es war etwa 22:45 Uhr MESZ und ich schaute erstaunt auf mein Smartphone: Der Bz am DSCOVR-Plot lag urplötzlich bei -10, und niedriger! Sollte es nun noch zumindest schwach ausgeprägte NLCs geben, wäre das Timing perfekt – was ein Grund zur Anspannung und Aufregung! Ein schneller Sprung aus dem Bett in das feuchte Gras der angrenzenden Wiese und ich blickte skeptisch in den Süden: Dunkle Wolken näherten sich meinem Standort. Und tatsächlich: Die nahezu einzige verbleibende Schauerzelle der frühen Nachtstunden stand in etwa 50km Entfernung über Osnabrück und nahm genau Kurs auf meinen Standort. Es folgte ein banges Analysieren der Zugbahn und die Erkenntnis: Das „Ding“ kratzt wohl lediglich südlich meinen Standort. So hieß es Warten und weiter den Nordhorizont beobachten.
Nur 20 Minuten später änderte sich die Situation rasant: Die Schauerzelle verstärkte sich und bedeckte mittlerweile eine Landfläche von etwa 20x20km – und sollte mich voll treffen.
Die Flucht vor dem Regen, der Dämmerung entgegen
Es musste eine Entscheidung getroffen werden: Also, Standortwechsel an ein nördlich gelegenes Naturschutzgebiet, in ähnlich stimmungsvoller Umgebung. Allerdings machte sich derweil Hektik breit, denn die Sonne stand mittlerweile ca. -10° unter dem Horizont – nun begann das relevante Zeitfenster für die Beobachtung etwaiger NLCs.
Schnell wurden Feldwege gequert und die nächstgelegene Landstraße befahren – zügig Richtung Norden.
Und urplötzlich, ein genauer Blick während der Fahrt, da waren sie: Leuchtende Nachtwolken am Horizont, genau vor mir!
Neben und nahezu über mir: Dunkle Wolken und erkennbare Vorhänge aus Niederschlag. Glücklicherweise konnte ich die kleine biestige Zelle zusehends hinter mir lassen, um an einem Feldweg zu stoppen und ein erstes Foto der Leuchtenden Nachtwolken anzufertigen:

Die Leuchtenden Nachtwolken der Abenddämmerung, über einem Gerstenfeld mit leichtem Bodennebel. An den oberen Rändern der Aufnahme deutet sich bereits die Schauerzelle an, vor welcher ich zu diesem Zeitpunkt flüchtete. Die NLC-Beobachtung an Schauer- und Gewitterzellen: Immer ein besonderes Erlebnis, vor allem vor der Drohkulisse der Nacht und einer resultierend tiefen Dunkelheit.
Die NLCs leuchteten mit einer eindeutigen Helligkeit 2, während sie für Anfang Juni und für einen Abendsektor bemerkenswert hoch standen. Die Polarlichtwerte derweil: Weiter aussichtsreich! Also schnell wieder ins Auto und weiter vor dem „Schlechtwetter“ flüchten, in Richtung Norden. Weiter den NLCs entgegen. Das sind Momente, die sich einbrennen!, während die Gesellschaft bereits zu Bett geht.
Beobachtung von NLCs und Polarlicht – eine persönliche Premiere
Weitere 10 Minuten später erreichte ich einen Standort bei Varrel, allerdings noch in Mitten der Natur. An einem Feld- und Wiesenweg parkte ich meinen Transport und baute die Kamera auf. NLCs in Richtung Norden, derweil – laut zur Verfügung stehender Daten – war ein Polarlicht-Substurm in vollem Gange. Allerdings konnte ich diesen optisch nicht erfassen, es war immer noch zu hell und die Dämmerung zu intensiv.
So machte ich mich „ans Werk“ und fotografierte abwechselnd den hellen Teil des Dämmerungsbogen samt NLCs und den dunkleren (nordöstlichen) Part der Dämmerung – immer in der Hoffnung, dass sich hier zuerst Polarlicht zeigen könnte. Ab etwa 23:55 MESZ war das dann sehr deutlich der Fall, wie folgende Panorama-Aufnahme zeigt:

Eine Panorama-Aufnahme von NLCs mit Polarlicht, wozu zwei Aufnahmen bei 24mm-Brennweite (KB) kombiniert wurden.

Um kurz nach 0 Uhr Ortszeit (MESZ) konnte ich dann noch mit einer einzelnen Aufnahme die NLCs dieser Abendstunden zusammen mit Polarlicht abbilden: Für mich war das mit dieser Nacht die absolute Premiere und die denkbar schönste Dosis aus verblassenden NLCs mit einem fotografischen Polarlicht-Strahl.
Gegen halb 1 (Ortszeit) wurde es Zeit, erst einmal zufrieden einen Tee zu trinken und weiter gen Dämmerung zu blicken. Derweil schien der Halbmond hoch vom Himmel, illuminierte die abziehende Schauerzelle im Osten und die NLCs waren nur noch vage erkennbar. Mit der Zeit machte sich starke Luftfeuchtigkeit breit, welche die Bildung von dichtem Nebel ankündigte.
Wenig später fuhr ich dann wieder mit dem Auto in Richtung Süden, nach Lübbecke, um dort einen erhöhten Platz am Wiehengebirgs-Nordhang zu finden: Von hier aus sollte in feuchtigkeitsgeschützter Höhe die zweite Nachthälfte beobachtet werden. All das in Hoffnung, noch einmal NLCs mit Polarlicht beobachten zu können.
Der rund 40-minütige “Heimweg” ließ mich Zeuge des Wetters werden, welches kurz zuvor an dieser Stelle niedergegangen und vor dem ich „geflüchtet“ war: Abschnittsweise waren die Straßen von Laub und kleinen Ästen bedeckt, teilweise war der Asphalt von feinperligen Dampfschwaden überzogen. Zwischendurch querte ich immer wieder größere Nebelfelder mit sehr schlechter Sicht.
Die große Zugabe: Leuchtende Nachtwolken mit visuellem Polarlicht in der zweiten Nachthälfte
Pünktlich zur astronomischen Mitternacht erreichte ich meinen höhergelegenen Beobachtungspunkt am Wiehengebirgs-Nordhang. Von hier oben blickte ich auf angrenzenden niedrige Nebelfelder. Ein erstes Probefoto gen Norden offenbarte zudem NLCs bei einem Sonnenstand von etwa -15,4 Grad. Schwach visuell war zudem eine markante Aufhellung über der Dämmerung sichtbar, welche sich schnell als Polarlicht herausstellte.
Was sich in der folgende Stunde abspielte, kam einem NLC- und Polarlicht-Spektakel gleich, welches sich in absolutem Gleichgewicht befand. An dieser Stelle möchte ich die Bilder (fast) für sich sprechen lassen:

Stärke Polarlichtaktivität um kurz vor 2 Uhr (Ortszeit): Noch fotografische NLCs mit schwach visuellen Polarlichtstrahlen.

Wenige Sekunden später schienen die Strahlen sehr markant zu leuchten: Ein Moment, der sich auch sehr gut auf den Aufnahmen anderer Beobachter wiederfinden lässt. (Siehe Link-Verweis am Ende des Berichts)

In der folgenden Stunde vor 3 Uhr (Ortszeit) kam es immer wieder zu einer mehr oder weniger schwachen Strahlenaktivität. (Polarlicht)

Durch die höher steigende Sonne wurden die NLCs derweil visuell sichtbar, während das Polarlicht nur noch fotografisch abzubilden war.

Ein letzter Höhepunkt in der Polarlichtaktivität, bevor es an meinem Standort zu hell wurde. Die NLCs wurden derweil immer eindrucksvoller sichtbar.

Gegen 3 Uhr (Ortszeit) illuminierten die Dämmerung mit NLCs deutlich den Nebel im angrenzenden Moor. Das fotografische Polarlicht ließ sich zu diesem Zeitpunkt nur noch schlecht von den Farben der Dämmerung abgrenzen.

Wenig später bildete das NLC-Display einen roten Saum aus: Beeindruckend für eine solch frühe Juni-Nacht! In Kombination mit den troposphärischen Wolken(-Fetzen) auch im Feldstecher ein absoluter Genuss.
In den Minuten nach 3 Uhr MESZ verblassten die NLCs schnell, weshalb ich langsam meine Sachen zusammenpackte und immer mal wieder die NLCs beobachtete. Mit meiner Ankunft Daheim, war keine freiäugige Beobachtung mehr möglich. Meine Dachkamera dokumentierte derweil die fotografischen Reste des NLC-Displays und ließ mich so die maximale Höhe von 11 Grad bestimmen.