Jørgen K.

als Autor auf
Himmelsbeobachtung.net

Verweise:

Rund um Weihnachten 2023 kam es zu einem ungewöhnlichen Ausbruch Polarer Stratosphärenwolken (PSCs) über Mitteleuropa. Farbenprächtige Perlmutterwolken (Polare Stratosphärenwolken) wurden bis in die Südschweiz beobachtet. Hierzulande ließen schlechte Beobachtungs- bzw. Wetterbedingungen nur sehr vereinzelte Beobachtungsnachweise zu.

Dieser Beitrag soll das mehrtägige Ereignis Ende 2023 zusammenfassen und zusätzlich meinen erfolgreichen Nachweis von Polaren Stratosphärenwolken am Morgen des 2. Weihnachtsfeiertages einordnen.

Polare Stratosphärenwolken – Eine Kurzerklärung

Polare Stratosphärenwolken (PSCs) entstehen in der Stratosphäre (in etwa 20-30km Höhe), in welcher sich normalerweise keine Wolken befinden und bilden können, da sie schlichtweg zu trocken ist. Die sehr geringen Mengen an vorhandenem H2O werden allerdings dann sichbar, wenn die Temperatur in der Stratosphäre auf etwa -78° Celsius (und niedriger) sinkt und chemische Bestandteile der Stratosphäre kristallisieren, womit sich unter Umständen bereits PSCs vom Typ 1 bilden können. Die Typ 1-PSCs treten entweder als so genannte NAT-Wolken (Nitric Acid Trihydrate; PSC-Typ 1a) auf (optisch ähnlich zu NLCs) oder aber als STS-Wolken (Supersaturated Ternary Solution; PSC-Typ 1b), welche eher schlierenartig in Erscheinung treten und somit strukturell nur schwer zu identifizieren sind. Dieser PSC-Typ „1“ kann dabei sehr weiträumig und großflächig in Erscheinung treten.

Sinken die Temperaturen in der Stratosphäre noch deutlich weiter, auf mindestens -85° Celsius, ist eine Entstehung von Typ 2-PSCs möglich: Die sogennanten Perlmutterwolken, welche räumlich eher begrenzt auftreten und auffällig bunt im Umfeld der Sonne (oder des Mondes) stehen können, dabei in auffälligen Farben leuchten und in linsenartiger Form auftreten.

Alle PSC-Typen haben dabei eine Gemeinsamkeit: Sie treten vorwiegend in den Wintermonaten innerhalb den polaren Breiten auf, selten weiter südlich.

Unverhofft: Meine PSC-Beobachtung am 2. Weihnachtsfeiertag 2023

Am Standort Kirchlengern (entspricht ca. 52.2°N) wurden wurden am Morgen des 26.12.2023 (mit der aufgehenden Sonne) zuerst ungewohnte Wellenstrukturen sichtbar, welche mich lange unsicher den Himmel beobachten ließen und sich im Anschluss als großflächige Polare Stratosphärenwolken herausstellen sollten. Bereits am Vorabend hatte ich auf einen kurzen wolkenfreien Sektor nach Durchzug einer nächtlichen Regenfront gehofft und schließlich am Morgen Glück gehabt: Für rund anderhalb Stunden gab es große Wolkenlücken.

Um 7 Uhr klingelte der Wecker zur Himmelsbeobachtung, schnell noch einen Kaffee trinken (derweil den letzten Regenschauer abwarten) und dann raus: In westlicher Richtung ging der Mond unter, in östlicher Himmelsrichtung grüßte die Morgendämmerung, noch größtenteils verdeckt vom massiv wirkenden Wolkenkomplex des abziehenden Schauer. Schließlich wandte ich mich erst einmal dem Mond zu, um in seinem Schein eventuelle PSCs ausmachen zu können. (Derartige Bilder mit PSCs vom Typ 2 gab es in den letzten Tagen vielfach in Beobachtergruppen der sozialen Netzwerke zu beobachten.) Schließlich blickte ich auf den untergehenden Erdtrabanten: Um 07:30 Uhr (Ortszeit) ohne Anzeichen von PSCs, nur mit wenige troposhärische Wolkenbänder zogen über den Westhorizont. Schließlich wandte ich mich der aufgehenden Sonne bzw. der Morgendämmerung entgegen:

Im Laufe der nächsten Dreiviertelstunde wurden dann sehr horizontnah erste helle und silbrig-leuchtende Bänder sichtbar. Hier mein erster horizontnaher Bildnachweis in Richtung Osten:

Im Laufe der folgenden halbe Stunde realisierte ich dann zunehmend, welche Wolkenform an diesem Morgen der Gegenstand meiner Beobachtung sein könnte: Tatsächlich Polare Stratosphärenwolken, mittlerweile weiträumig und ausgedehnt. Sie standen immer noch in Form silbrig-weißer Bändern am Himmel, wobei folgendes Bild wieder in Richtung Osten aufgenommen wurde, diesmal allerdings deutlich weitwinkliger, um die beachtliche Ausdehnung zu verdeutlichen:

Etwas weiter in Blickrichtung Nordosten wurden die PSCs weiter von der aufgehenden Sonne illuminiert. Weiter Blickrichtung Norden hoben sie sich kaum vom Himmelshintergrund ab, waren jedoch fotografisch nachweisbar. Daher ist davon auszugehen, dass die Ausdehnung der PSCs deutlich ausgedehnter war, als von mir an diesem Morgen erfasst werden konnte.

Wichtig, im Hinblick auf eventuelle Verwechslungen mit troposphärischem Gewölk: Das Satbild hat zu diesem Zeitpunkt keine höheren troposphärischen Wolken gezeigt, die ein solches Himmelsbild hätten ausmachen können.

Mit der höhersteigenden Sonne verblassten die PSCs zusehends (Zeitpunkt 9 Uhr MEZ, Sonne bei ca. 2° Höhe), waren aber immer noch zu erkennen, wenn man dann genau hingesehen hat. Leider kamen dann die Wolken, ein Irisieren (PSCs vom Typ II) war durch Wolkenlücken nicht erkennbar. Derzeit ist es wieder gänzlich bewölkt.

 

Eine Einordnung meiner Beobachtung: NAT-Wolken, PSCs vom Typ 1

Nicht bunt, nicht schillernd, aber silbrig-leuchtend und NLC-artig: So würde ich die Wolkenform der PSCs meiner morgendlichen Beobachtung beschreiben. Dabei waren die Wolkenstrukturen deutlich visuell sichtbar, durchweg in Wellenform angeordnet und erstreckten sich weiträumig ausgedehnt am Nordost-Himmel. Die Farben dieser Morgendämmerung kamen dabei mattiert und in eher kühlen Tönen daher. Die parallele Einordnung des Satelittenbildes der Bewölkung über Deutschland, verdeutlichte kein Vorhandensein troposphärischer Bewölkung, die ein deartiges Himmelsbild hätte ausmachen können.

Ich ordne die von mir beobachteten Polaren Stratosphärenwolken daher als Typ „1a“-PSCs ein (NAT-Wolken), die gemäß Definition in „genau“ dieser Form und Ausdehnung erscheinen können. Zudem lag die Temperatur über Mitteleuropa in der Höhe auf 20-30km zwischen -70 und -80 Grad Celsius, was eine Bildung derartiger PSCs theoretisch möglich macht.

Schlussendlich konnte mir Laura Kranich als (mindestens) sehr erfahrene Himmelsbeobachterin das Vorhandensein von PSCs auf meinen Bilder bestätigen. (An dieser Stelle noch einmal vielen Dank für die Rückmeldung!) Weitere Beobachtungen, die weiträumige PSCs vom Typ „1“ über Deutschland und Mitteleuropa am Morgen des 26.12.2023 stützen könnten, gab es wetterbedingt leider kaum. Lediglich aus dem benachbarten Hannover erhielt ich eine Rückmeldung, welche die besondere Wolkenform an diesem Morgen bestätigen konnte.

Schlussendlich bin ich gespannt, wann erneut ähnliche Bedingungen in der Stratosphäre vorherrschen und ähnliche PSC-Beobachtungen in mittlereren nördlichen Breiten möglich sein werden. Dabei es denkbar, dass der Klimawandel ein PSC-Vorkommen in unseren Breiten wahrscheinlicher macht, wie hier vermutet und beschrieben wird.