Jørgen K.

als Autor auf
Himmelsbeobachtung.net

Verweise:

Schon den gesamten Sonntag über machte das sehr sonnige Wetter mit intensivem Himmelsblau Lust darauf, die Datenlage “am” EPAM immer mal wieder zu aktualisieren und die Situation rund um die Ankunft eines eventuellen CME zu beobachten. Ein erster Anstieg der Graphen am EPAM waren morgens zu verzeichnen, bis in die späten Abendstunden war dabei eine stetige Steigerung festzustellen. Nach dem Abendessen ging es dann an den PC, weiter die Situation am DSCOVR im Auge und parallel am Schreiben von Berichten jüngerer Himmelsbeobachtungen. Um ca. 22:04 MESZ war es dann soweit: CME IMPACT!

Vorab der Datensatz und folgende Anmerkung: Alle Aufnahmen wurden mit denselben Parametern angefertigt und sind nahezu unbearbeitet.

Standort: bei Lübbecke (ca. 52.3°N)
Beobachtungszeitraum: 22:46 – 01:51 MESZ
Max. Helligkeit des Polarlichts: hell
Erscheinungsbild: Grüner Polarlichtbogen (deutlich visuell), zum Höhepunkt (ca. 00:59 MESZ) hell mit übergeordneten roten Glühen (hell) und roten Beamern (hell). Die Rottöne waren zu diesem Zeitpunkt visuell sichtbar.
Hinweis: Bemerkenswert gute Beobachtungsbedingungen, Monduntergang um 00:51 MESZ, pünktlich zum ersten Substorm; Sehr gute Transparenz.

Für die bevorstehende Beobachtungsnacht hatte ich diesmal einen gewohnten Beobachtungspunkt gewählt: Den Südrand des Norddeutschen Tieflands, hoch am Hang vom hiesigen Mittelgebirge. In meinem Rücken der noch dichte Laubwald, der mich vor Wind und Mondschein schützte, ich positioniert auf einem oberen alten Feldweg. Gen Norden: Ein freier und weiter Blick in die Diepholzer Moorniederung bzw. die vom Mondschein erhellte Norddeutsche Tiefebene. Keine Menschen an Ort und Stelle, nur die heimische Tierwelt. Hier habe ich schon unzählige Nächte und Beobachtungen verbracht: Meteore gezählt, mich an Dämmerungsbeobachtungen und elektrisierenden Leuchtenden Nachtwolken erfreut oder Gewitterstürme am Nordhorizont verfolgt. Und jedes Mal aufs Neue begrüßt ich hier ein ganzer Sprung Rehe. Der Blick Richtung Norden ist dabei gekennzeichnet von absoluter 0°-Horizontsicht, was zum Verlieren am Nordhimmel einlädt. Das Gefälle am Nordhang gibt zudem ein gewisses Gefühl von Freiheit. Und das Wichtigste für eine (solche) Himmelsbeobachtung: Der zentrierte Blick auf 0°-Nord ist “gering” lichtverschmutzt, der Horizont wirkt stellenweise sogar dunkel. Ein toller Ort für eine gezielte Polarlichtbeobachtung.

Der Mond (Beleuchtungsgrad bei ca. 73 Prozent) illuminierte den Himmel vor Ort merklich, aber nicht dramatisch. Ein kurzer Blick auf die Werte am DSCOVR sorgte für Optimismus. Der Nordhorizont wirkte derweil unauffällig, während erste Polarlichtmeldungen aus Dänemark kamen. Es gab einen ersten Kaffee und ich schlüpfte in meine Outdoor-Winterhose. Ein stetiger Wind sorgte für “taulose” Beobachtungsbedingungen.

Rund um 23:45 MESZ konnte ich einen ersten horizontnahen Polarlicht-Beamer nachweisen, der grüne Bogen am Nordhorizont war fotografisch zu erahnen, allerdings noch weit von einer Bogenform entfernt. “Nichts Besonderes” – dachte ich mir.
Dieser Zustand hielt eine ganze Weile an. Ca. eine halbe Stunde war vergangen, so dass ich die stetige Aufbauphase des (mittlerweile “leicht visuellen”) grünen Polarlichtbogens auch an meinem Standort bestätigen konnte:

Weiterer Kaffee!, die mittlerweile kühle Septembernacht forderte ihren Tribut ein.
Rund um ca. 00:40 MESZ dann die Erkenntnis: Das ist jetzt definitiv deutlich visuell! Ein grüner Polarlichtbogen schluckte mühelos die aufdringliche Lichtglocke der einzigen wahrnehmbaren Kleinstadt in NNW. Erste Begeisterung lag in der Luft:

Einen solchen sich intensivierenden grünen Polarlichtbogen sah ich zum ersten Mal so deutlich!

In der folgenden Minuten (rund um 00:45 MESZ) intensivierte sich der grüne Bogen noch einmal stark. Eine deutlich visuelle und erhellte Wand stand dort am Nordhorizont, fotografisch derweil nahezu bedrohlich. Erste leicht visuelle rote Beamer konnte ich ebenfalls zu etwa diesem Zeitpunkt feststellen, welche in den folgenden 10 Minuten immer stärker wurden.

Das länger ersehnte Polarlicht-Ereignis schien PERFEKT! Es schien (!) perfekt. Es war 00:57 MESZ:
Die Kamera stand auf dem Stativ zu meiner Linken, ich: den Nordhorizont derweil konzentriert im Blick.

Ich fokussierte mich wirklich stark auf das Himmelsbild vor meinen Augen… und urplötzlich strukturierte sich der Himmel vor mir in vertikale, nahezu parallel angeordnete weiße Strahlen, das gesamte Sichtfeld gleichermaßen – und dann wurde es hell!

Der Substorm kam als unglaublicher Ausbruch daher, ein überwältigendes Himmelsbild das auf dem Nichts kam:

Dann wurde es sehr schnell dynamisch, kein Moment zum Durchatmen: Beamer wanderten deutlich visuell bis hell durcheinander, fielen zusammen, bauten sich neu auf – UNGLAUBLICH! Ich zitiere mich selbst kurz darauf im Mini-Chat des AKM-Forums: “!!!!”. Was zum #%! ging hier gerade vor sich! Keine Worte. Die Entladung war kurz, aber verdammt heftig. Die Folge: Stillstand, am Himmel, wie im Kopf – Ein minutenlanges deutlich visuelles rotes Glühen, das zum Höhepunkt farblich wahrzunehmen war und über einem deutlich visuellen (grünen) Polarlichtbogen stand. Ein Nordhorizont, ein Bild, das auch mein dortiges, inneres Gefühl einer Handlungsunfähigkeit bestens beschreibt:

Man betrachte nur den Übergang zum Sternenhimmel, darunter eine Front aus Grün und Rot.
Genug mit der Dramatik! Aber ich muss irgendwie in Worte fassen, wie überwältigend das alles war.

Ein schneller Anruf bei mir sehr lieben Menschen, die unten im Dorf schliefen: Rausschauen! Ja, der Horizont ist hell. Und das ist keine Lichtverschmutzung. Viele andere lieben Menschen haben leider das Schlafen vorgezogen und waren nicht erreichbar.

Eine kurze Begründung, weshalb es sich für mich in Spitzen um ein helles Polarlicht gehandelt hat: Sterne wurden teils überstrahlt, kurze Zeit habe ich die Orientierung am Himmel “verloren”. Die Grenze eines “lediglich” deutlich visuellen Polarlichts wurde hier für mich überschritten. Die guten Lichtverhältnisse gen Norden dürften diese Einordnung ebenfalls möglich gemacht haben.

Da stand ich also, in dieser kristallklaren Nacht, überwältigt von einem Nordlicht.

Mit dem Prozess des “Ausglühens” der ersten Aktivitätsphase, habe ich meine Beobachtung schließlich um kurz vor 2 Uhr (MESZ) beendet.

Zur Morgendämmerung kam es zu einem weiteren starken Substorm, welcher sich ähnlich kräftig, wie von mir zu astronomischen Mitternacht beobachtet, entladen hat und den Himmel für einige Minuten in intensive Farben tauchte. Diese zweite Hauptaktivitätsphase der Nacht hat (während ich bereits am schlafen war) meine automatische Dachkamera dokumentieren können:

Zwecks Vergleich möchte ich an dieser Stelle noch die automatischen Aufnahmen dieses Kamerasystems zeigen, welche zuvor um rund 1 Uhr (MESZ) entstanden sind, während ich meine eigene Beobachtung wenige Kilometer weiter östlich durchgeführt habe:

Gemäß nachvollziehbarer Beobachtungsberichte, handelte es sich beim ersten starken Substorm (oben im Detail abgebildet) um den stärksten „Ausbruch“ der Polarlichtaktivität in dieser Nacht. Die Morgenstunden (samt zweitem starken Substorm) waren insofern interessant, dass sich zur starken Polarlichtaktivität auch noch „Giant Blue Rays“ in der Morgendämmerung zeigten. Dazu möchte ich auf diesen großartigen Beitrag im Meteoros e.V.-Forum verweisen (verfasst von Michael Theusner), welcher diese Erscheinung analysiert und einordnet. Bei dieser Erscheinung handelt es sich um enorm hochreichende (bis zu 3.500km) Polarlichtstrahlen, deren Phänomen wissenschaftlich nahezu unbehandelt und deren Entstehung somit auch noch nicht nachvollziehbar ist.